Pietro Marangoni

Journalist und Präsident des Circolo Culturale La Stanza

Für mich als Kind war es immer ein großartiges Gefühl, durch das Tor des Dominikanerklosters zu gehen und dann durch den strengen Säulengang auf die gegenüberliegende Seite zu gelangen, wo sich der Kapitelsaal öff-nete. Man hielt den Atem an. Es war so, als würde man einen heiligen Ort betreten. In den 1950er Jahren war dies der „Ort“ der Kultur in der Stadt Bozen. Auf der einen Seite stand das Konservatorium, in dem Arturo Benedetti Michelangeli spielte, und auf der anderen Seite der Raum, in dem die berühmtesten Künstler der Stadt ihre besten Werke ausstellten. Es waren die Jahre, in denen die Menschen die tragischen Erinnerungen an den Krieg schnell hinter sich lassen wollten. Die Menschen blickten voller Zuversicht in die Zukunft, in den Wiederaufbau, in die Wiederentdeckung eines neuen Wohlstands. Es waren die Jahre des Enthusiasmus, die Jahre, in denen man nach neuen Statussymbolen suchte und diese bestätigte: der 600er, der uns zum Skifahren in die Berge brachte, der Fernseher, vor dem wir donnerstagabends „Lascia o raddoppia“ sahen, das Anlegen einer Sammlung schöner Bilder, die unser Haus bereichern und aufwerten sollten. Und gerade in diesen Jahren der kleinen Erfolge und der hart erarbeiteten Genugtuung lud mich mein Vater ein, die Werke der im Capitolare ausgestellten Meister zu besichtigen. Jedes Mal gab es etwas anderes zu sehen und zu bewundern. Der schmale Raum am Ende des Kreuzgangs enthüllte immer wieder Geschichten und unerwartete kleine Schätze, Werke von Künstlern der italienischen oder Südtiroler Kultur. Seien es die Seestücke von Ulderico Giovacchini oder die Landschaften von Hubert Mumelter oder die Städte von Elio De Biasi, bis hin zu den labyrinthischen, aber immer beruhigenden Wäldern, die nur der Pinsel von Pepato Franci auf den Karton zeichnen konnte. Der Wald von Franci war nie ein beunruhigender Ort, der Angst vermittelte. Es war weder ein „dunkler Wald“ noch der „dichte Wald“ der germanischen Kultur. Es war und ist ein Ort des Friedens und der Gelassenheit: das neue Arkadien. Und genau dieses Gefühl der Ruhe, das seine Werke zu vermitteln wussten, war der Schlüssel zu seinem persönlichen Erfolg und machte ihn zum Referenzmaler für eine Gesellschaft, die in die Zukunft blickte und sich mit neuen Gewissheiten umgeben wollte. Der aus Venetien stammende Danilo Franci war fasziniert von der wilden Schönheit der Dolomiten, den tausend Grüntönen der Wälder und den Farben und Düften der Blumen. Wie nur wenigen anderen ist es ihm gelungen, diese starke Welt, die er liebte und in der die Natur der absolute Protagonist war, zu verewigen. In dieser Welt der Emo-tionen, der Momente, der Einsamkeit und des Nachden-kens gelang es ihm, die Essenz der Natur einzufangen und sie mit Freude in die Häuser der Bozner und ihrer zahl-reichen Bewunderer zu bringen. Seine Kinder Alberto und Alessandra tun gut daran, sich an das Werk eines Künstlers zu erinnern, der ein Protagonist einer fruchtbaren und glücklichen Epoche war. Vor etwa zehn Jahren, im Oktober 2012, wollte ich diesem Künstler mit einer Ausstellung im Espace La Stanza Tribut zollen. Es ist daher richtig, dass die Stadt Bozen heute auf organische und vollständige Weise an einen Protagonisten aus anregenden und fruchtbaren Tagen erinnert, die heute Gefahr laufen, zu Unrecht in Vergessenheit zu geraten.

„Bozen, Dezember 2021“

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